Rückblick auf ein volles, reiches Jahr

Verfasst von Kornelia Stock am .

Im zweiten Jahr sind hannoversche BürgerInnen dabei den Vermehrungsgarten aufzubauen.
Auf der von der Stadt Hannover zur Verfügung gestellten Fläche "An der Bauerwiese 42" in Hannover-Ricklingen wurde in diesem Jahr einiges geschafft:

In diesem Jahr wurde der Kooperationsvertrag mit der Stadt Hannover unterschrieben. Bis 2017 gibt es eine Förderung für den Aufbau des Gartens. Danach sehen wir weiter.

Die dritte Saatgutbörse der Initiative "Säen Sie sich das mal an!" fand zum ersten Mal in der Schwanenburg in Limmer statt. In den neuen Räumlichkeiten war es möglich, neben der Börse, zu der private ErhalterInnen aus der Region mit ihrem Saatgut gekommen waren, auch einen Film und eine Ausstellung zu zeigen. Gespendete Kuchen, eine leckere Suppe und das Angebot im Restaurant  bereicherten die Erholungspausen der fast 500 Gäste. Unterstützt wurde die Veranstaltung nicht nur von vielen ehrenamtlichen Helfern, sondern auch vom Biogroßhändler Kornkraft Hosüne, dem Getränkehersteller Voelkel und der Schwanenburg.

Seit Frühjahr gibt es diese Internetseite. Hier können sich Interessierte über den Garten und Veranstaltungen informieren. Auch kurzfristige Absagen wegen schlechtem Wetter sind möglich. Diese Seite ist wie der Garten im Aufbau und wird weiter wachsen. Aktuell entstehen Kulturanleitungen, geplant sind auch Sortenbeschreibungen, damit Interessierte erfahren, welche Sorten sie sich in den Garten holen und wie sie erfolgreich angebaut und vermehrt werden können.

Die Aufbauarbeit an zwei Terminen in der Woche wurde fortgesetzt. Alle Arbeiten erfolgen ehrenamtlich, was dem Grenzen setzt, was geschafft werden kann. Es haben sich zwei kleine, stabile Gruppen gebildet, eine kommt am Dienstag, die andere am Sonntag. Es kommen Menschen aus verschiedenen hannoverschen Stadtteilen, z.B. aus Ricklingen, Linden, Bemerode, Stöcken und Misburg. Daneben kommen auch einige aus der Region wie aus Hiddestorf, Rethen und Laatzen. Gemeinsam wird nicht nur Erde bewegt, Beete werden angelegt und gepflegt, Pflanzen ausgesät, gepflanzt, beobachtet und gepflegt. Daneben finden immer Gespräche statt, werden Fragen zu Anbau und Erhalt thematisiert und beantwortet. Die Verbindlichkeit der Teilnahme hat sich weiter verfestigt, man informiert, wenn man in den Urlaub fährt oder aus sonstigen Gründen nicht kommen kann. Diese feste Gruppe beteiligt sich an Diskussionen zur Weiterentwicklung des Gartens und findet immer wieder neue Ideen der Förderung.
Aber der Mitarbeit von zumeist Laien in wenigen Stunden sind natürlich Grenzen gesetzt. Zu einigen Zeiten war es nur möglich das Nötigste zu schaffen, wie Rasen mähen, wichtige Aussaaten, jäten und gießen.
Deshalb hat die Arbeit, die von den MitarbeiterInnen der Hölderlinstraße geleistet wurde, auch alle motiviert. Von ihnen wurde ein Fahrradparkplatz und eine Sitzgruppe mit Präsentationstischen gebaut, der Brunnenplatz wurde befestigt. Solche Arbeiten hätten die ehrenamtlichen Mithelfer nicht neben der Gartenarbeit bewältigen  können. Nun genießen alle, dass es hier diese Unterstützung gab und hoffentlich auch wieder geben wird.

Zu den Mitarbeitsterminen kommen immer wieder Interessierte, die kurzfristig mit anpacken. Hier finden fortwährend persönliche Einführungen und Anleitungen statt.
Immer wieder neue Mithelfer zu informieren und einzuarbeiten ist mühevoll, weil dann auch mal die geplante Arbeit liegen bleibt.
 
Seit diesem Jahr gab es erstmals Führungen, an denen man sich informieren konnte. Von April bis Oktober an jedem 2. Sonntag im Monat um 15 Uhr trafen sich Interessierte. Diese Veranstaltungen wurden im Laufe des Jahres immer besser besucht. Auch Kleingärtner aus der Nachbarschaft fanden so den Weg in den Garten. Dieses Angebot wird es auch im nächsten Jahr geben. In diesem Jahr standen zwei Veranstaltungen speziell unter dem Motto: "2015 - UN-Jahr des Bodens". Auch wenn das UN-Jahr des Bodens endet, das Thema wird weiter aktuell und Thema bei Führungen bleiben.

Aufgebaut wurde in diesem Jahr nicht nur der erste Teil des Folientunnels, sondern auch ein Kompostklosett. Damit ist es einfacher, längere Zeit im Garten zu arbeiten.

Gemeinsam mit hannoverschen BürgerInnen geht der Gartenaufbau voran.
Eines unserer Prinzipien ist: "Wer schlau ist, darf faul sein". So wird weiterhin viel vom Boden mit Pappen abgedeckt und gemulcht. Das Gras sieht die Sonne nicht mehr und geht ein, der Boden wird durch die Bodentiere gelockert und bleibt feucht. So entwickeln und pflegen wir unseren Boden. Bei der langen Trockenheit im Frühjahr hat sich das bewährt, unter dem Mulch war der Boden locker und gut zu bearbeiten.

Schneckenzaunbeete geben Struktur und Schutz.
Nachdem wir in 2014 sehr viele Buschbohnen an die Schnecken verloren haben, baten wir zu Beginn der Saison um Spenden für Schneckenzaunbeete. Relativ schnell war das Geld für 10 Beetumrandungen beisammen. Vielen Dank an die Spender! Die Schneckenzaunbeete wurden aufgebaut, schneckenfrei gemacht und boten Buschbohnen, Salaten und Kräutern wie Petersilie einen Schutz. Im nächsten Jahr werden weitere Beetumrandungen für eine bessere Struktur sorgen.
 
Auch beim Erhalt wurde vieles ausprobiert: So gab es bei den Buschbohnen interessante Entdeckungen. Aus dem On-farm-Erhaltungs-Projekt vom Bundessortenamt und der Humboldt-Universität Berlin haben wir Saatgut einer Einbohne bekommen. Sie hat keinen Namen sondern nur eine Nummer: "12825". Einbohnen sind Saatgutsparmodelle, es wird nur ein Korn pro Pflanzstelle alle 20 - 30 cm gesät. Die Pflanzen wurden später angehäufelt, damit die kräftigen buschigen Pflanzen gut standfest sind und einen guten Ertrag bringen. Saatgut von der Sorte geben wir bei der Saatgutbörse ab.
Ein Frau aus Freiburg berichtete über eine hannoversche Buschbohne mit dem englischem Namen "Long Imuna“. Sie hat sie bei einem Besuch einer Freundin in Hannover kennengelernt. Ein Nachbar soll diese Sorte seit 1913 angebaut haben. Mehr ist bisher nicht bekannt, aber vielleicht kann sich das ja ändern. Wenn Sie Informationen über diese Buschbohne haben, melden Sie sich bitte.
In der Genbank habe ich diese Bohne nicht gefunden, allerdings eine Buschbohne namens „Imuna“. Diese beiden Bohnen wurden im Vergleich angebaut. Die Sorte „Imuna“ präsentierte sich als sehr üppig wachsende Pflanze mit vielen Nebentrieben, Blüten und Früchten. Auch hiervon geben wir Saatgut ab.

Versuche gab es in diesem Jahr auch mit Tomaten. Unser Folientunnel war ja erst spät im Mai fertig und so gab es mehr Versuche mit Tomaten im Freiland. Es waren hier hauptsächlich kleinfrüchtige Sorten, die robuster sind, aber auch eine gelbe schweizer Sorte, die „Gelbe von Thun“ bewies, dass sie freilandtauglich ist.
In 2015 haben wir Saatgut von russischen Tomatensorten geschenkt bekommen. Wir haben die Aufgabe, diese Sorten anzubauen und zu beobachten, aufgeteilt. Einen großen Teil hat Martin Ingelmann in seiner Gärtnerei in Algermissen angebaut.
Schon nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war zu befürchten, dass die große Vielfalt der russischen Tomaten von den „bunten Saatguttüten“ und den Hybridsorten abgelöst wird. Das hat zwar gedauert, aber nun gibt es die bunten Tüten und die Überraschungen. Aus der Tüte mit dem Foto einer langen, spitzen, roten Tomate mit dem Namen „Italienische Spaghetti“ gab es drei Pflanzen, die alle anders aussahen und keine entsprach dem bunten Bild.
Auch bei den in Algermissen ausgepflanzten Tomaten zeigten sich Unterschiede innerhalb einer Tüte. So waren die Tomaten namens „Goldene Zarin“ nicht alle gelb, es gab auch rotfrüchtige Exemplare, die durch enorme Faltungen auffielen. Positiv: Eine Ochsenherztomate bildete wirklich kräftige Pflanzen, die die großen Früchte gut tragen konnte. Bisher zeichneten sich Ochsenherztomaten oft durch schüchterne Pflanzen aus. All diese russischen Tomaten sind durch eine weiche Schale gekennzeichnet, die einfach abzuziehen ist, was die Verarbeitung zu leckeren Suppen und Soßen vereinfacht. In Gesprächen mit Menschen, die ursprünglich aus Russland und der Ukraine kommen, war zu erfahren, dass sie diese Tomaten sehr schätzen. Mit unseren knackigen Tomaten kommen sie nicht so gut klar. Wir werden Saatgut von den Sorten "Ochsenherz", "Weiße Zucker", "Goldene Zarin" und "Batane-Väterchen" weitergeben.

Im Mai war der Garten Gastgeber für ein Erhaltungsseminar der Patenschafts-AG des Vereins zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt. Gefördert unter anderen durch die Niedersächsische Bingo-Umweltstiftung und das Bundessortenamt. TeilnehmerInnen aus Hannover und ganz Deutschland lernten den Garten bei einem Besuch kennen. Die Vernetzung mit Mitgliedern der Patenschafs-AG wird die Erhaltungsarbeit des Gartens weiter unterstützen.

Durch die finanzielle Unterstützung der Stadt Hannover konnten nicht nur die Materialien, die die MitarbeiterInnen der Hölderlinstraße verbaut haben, bezahlt werden, wir verfügen nun auch über einen leistungsfähigen Rasenmäher und einen Freischneider. Hier fehlte es zeitweise an HelferInnen, denn nur am Dienstag konnte „gebrummt“ werden. Am Sonntag schließen wir uns der für die Kleingärtner geltenden Maschinenruhe an.

Die Nachbarschaft zu den Kleingärtnern wurde gefestigt. Man grüßt sich und führt manches Gespräch über den Gartenzaun. Einige der Kleingärtner haben uns mitgeteilt, dass sie nicht gedacht hätten, dass wir so viel schaffen und es sich wohl um ein längerfristiges Vorhaben handelt.

In der diesjährigen Gartensaison wurde im Vermehrungsgarten für einen Fernsehbeitrag des NDR gedreht. Von April bis Oktober war immer wieder ein Filmteam im Garten. Die Pappen für die Heukartoffeln wurden mehrmals schwungvoll gelegt. Stangenbohnen wurden mit Kamerabegleitung gesät, immer wieder wurden Fragen zum Garten, zu unserer Arbeitsweise und dem Erhalt alter, samenfester Sorten beantwortet. Der Beitrag für die NDR-Reihe „Naturnah“ wird Anfang März 2016 zu sehen sein.

Damit wir in der direkten Nachbarschaft bekannter werden, wurde das Vorhaben in einem Artikel in der regionalen Zeitschrift „Ricklingen Aktuell“ vorgestellt. Anfang Juli luden wir Unterstützer und Politiker aus dem Bezirks- und Stadtrat ein. Bei einer Führung wurde der Garten vorgestellt, bei Kräuterschnecken und Holunderlimo gab es interessante Gespräche.

Eine Idee des Bezirksbürgermeisters Herrn Markuth wollen wir in die Praxis umsetzten. Es soll Wegschilder an der Straße „An der Bauerwiese“ geben. Leider ist das Verfahren mühsam, weil bisher noch unklar ist, warum das Naturfreundeheim und das Ricklinger Bad ihren Besuchern mit Schildern den Weg weisen kann, der Vermehrungsgarten aber nicht.

Das Finden des Garten wird durch die Internetseite verbessert. Auf open-street-map ist der Vermehrungsgarten schon eingezeichnet. Diese von Privatleuten betriebene Initiative bemüht sich, die Karten aktuell zu halten und kann natürlich mit der Unterstützung vieler, ortskundiger Personen schneller sein als jeder andere Kartendienst.

Zum Ende des Jahres hat der Vermehrungsgarten Hannover die Nutzung eines Schaukastens für ein Jahr geschenkt bekommen. In der Passage „Osterstraße 24“ wird nun mit einem von Unterstützern gestalteten Plakat für unser Anliegen geworben.

Es sind immer wieder die tollen Unterstützungsmaßnahmen, die uns voran bringen.
Das Dach des Bauwagens, den wir zum Ende 2014 gekauft haben, war nicht ganz dicht. Im Herbst konnte mit der großzügigen Materialspende von der Dachdeckerei Jörg Ewald das Dach abgedeckt und begrünt werden. Zu solchen Aktionen kommen auch immer wieder Menschen, die eigentlich durch einen eigenen Garten und anderes Engagement gut beschäftigt sind, und zu dieser Gelegenheit mit anpacken.

Ein Vermehrungsgarten in der Großstadt, aufgebaut fast ausschließlich von hannoverschen BürgerInnen, das dauert. Und so wird es noch Zeit brauchen, bis der Plan, der am Tor angebracht ist, umgesetzt ist. Ein Haus ist nebenbei nicht zu planen, geschweige denn zu bauen. Eine Sommerküche wird es zunächst nur gelegentlich und improvisiert beim Kartoffeln ernten geben. Die Anzahl der Kulturen und Sorten wird nur langsam zu steigern sein, weil hiermit auch viel Recherche- und Dokumentationsarbeit verbunden ist. Kurse und andere Termine können nur in dem bisherigen, bescheidenem Maß geleistet werden. Auch die Internetseite wird nur langsam wachsen, da es viel Zeit braucht, die wie aller Aufbau nebenberuflich nur in bestimmtem Maß geleistet werden kann.

Wir sind immer noch auf der Suche nach Förderern und Unterstützern, die eine personelle Förderung für zwei MitarbeiterInnen ermöglichen. Ideen dafür gibt es, weitere Vorschläge werden gern gehört, Anträge hierfür müssen gestellt und vor allem auch in der Gartensaison weiterverfolgt werden.

Im nächsten Jahr wird der Vermehrungsgarten weiter aufgebaut werden – gern auch mit Ihrer Unterstützung.
Kornelia Stock